Das Wort zum Sonntag: Streitkultur

Eine Streitkultur setzt voraus, dass man Streit und Konflikt als Normalität erlebt. Es bedeutet mit Worten und den eigenen Standpunkt vertreten zu können, ohne dem Anderen abzusprechen, dass auch er einen abweichenden Standpunkt besitzt und besitzen darf.

Der Grundsatz einer konstruktiven Streitkultur lautet: Konflikte zwischen Einzelnen und Gruppen sind Normalität. Sie sind die natürliche, ja notwendige Folge eines lebendigen menschlichen Zusammenlebens. Konstruktive Streitkultur heisst einander offen und fair die Meinung sagen. Eine konstruktive Streitkultur beinhalt unter anderem folgende Elemente:

  • Streit wird als normales Alltagsphänomen angesehen.
  • Streit gilt als etwas grundsätzlich Erlaubtes.
  • Streit unterhalb einer bestimmten Eskalationsstufe wird anders behandelt als jenseits dieser Eskalationsstufe.
  • Die Austragung des Streits unterliegt intersubjektiv bekannten Fairness-Regeln.
  • Alle Streitparteien haben Rechte, z.B. das Recht, den Streit auf später zu verschieben oder sich Zeit zum Nachdenken zu nehmen.
  • Ein guter Streit endet mit einer Einigung und nicht mit dem Sieg der einen Partei über die andere.
  • Nach Beilegung des Streits ist die Beziehung zwischen den Konfliktparteien nicht nachhaltig gestört.

Wie lernt man nun streiten:

  • Auseinandersetzung mit den Regeln für faires Streiten
  • Aufklären über Störungen in der Streitkultur: z. B. über Sündenbock-Rollen, die Bedeutung von Vorurteilen für Gewaltbereitschaft
  • Einüben des Perspektiv-Wechsel, d. h. zu lernen sich in die Gefühle und Ängste des Streitpartners einzufühlen
  • Üben, im Streit kreativ Lösungen zu suchen und zu finden, die für alle Beteiligten befriedigend sind
  • Vorleben einer akzeptablen Streitkultur
  • Konsequenter Widerstand bei unangemessenem Streitverhalten

Bleibt die Frage, ob es einfach ist, eine gute Kultur, auch eine gute Streitkultur zu haben. Ich denke, dass Streiten hilft einen weiterzubringen. Vor allem wenn man sich in den ersten beiden Stufen bewegt. Danach wird es eher schwierig. Was wenn es plötzlich um darum geht sich in negative Rollen zu zeigen und bekämpfen sich. Die Stufe danach benötigt dann übrigens professionelle Hilfe.

Also viel Spass beim Streiten und denkt daran, Versöhnen macht noch viel mehr Spass!

2 Kommentare

Sucher 3. September 2007

“Gesund” Streiten finde ich wesentlich schwerer als es tönt. Eine Schwierigkeit ist zum Beispiel, dass jeder Mensch das Gesagte anders “hört” und somit anders interpretiert. Eine Aussage aus der Stufe 1 & 2 kann dann zum Beispiel als Stufe 5 Angriff empfunden werden. Hier hilft dann die von Dir beschriebene Empathie… Aber empathisches Verhalten ist oft in Streitsituationen nicht “aktiv”, weil man vielleicht vollkommen mit der Verteidigung seiner selbst beschäftigt ist.

Und mir stellt sich die Frage: kann man überhaupt streiten ohne, dass man sich bereits vorher eine gemeinsame Basis aufbauen konnte?